Bei einer landkreisübergreifenden Übung der verschiedenen Rettungsorganisationen am Samstag, den 13. Oktober 2018, gab es ein besonderes Szenario für die beteiligten Kräfte - eine Großübung, die das Zusammenspiel von Feuerwehren, THW, Rettungsdiensten, Bundes- und Landespolizei sowohl aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt, als auch aus dem angrenzenden Landkreis Forchheim verlangte. Dies war auch von Vornherein das erklärte Ausbildungsziel bei der Ausrichtung dieser Übung.
Im Gleisbereich der Deutschen Bahn auf Höhe Wellerstadt wurden folgende Lagen dargestellt:
Angenommen wurde zunächst, dass neben der ICE-Trasse, die sich derzeit noch im Bau befindet, ein LKW mit seinem Ladekran in die Hochspannungsleitung über den Gleisen geriet und diese herab riss.
Aufgrund der Spannung von 15.000 Volt geriet das Baufahrzeug in Brand, wobei auch zwei Arbeiter schwer durch den elektrischen Strom verletzt wurden. Ein sogenannter Spannungstrichter war die große Gefahr, der für die Einsatzkräfte das Erreichen der Schadensstelle und eine schnelle Rettung unmöglich machte. Unterstrichen wurde die Darstellung durch viel Rauch und pyrotechnische Effekte, mit denen die Fachgruppe Sprengen des THW-Baiersdorf Feuer und elektrische Spannung realitätsnah simulierte.
Durch den Ausfall der Leitung war eine S-Bahn durch eine Notbremsung zum Stehen gekommen. Dies wurde durch die DB Regio realistisch dargestellt, wobei ein Triebzug auf einen nicht freigegebenen Teil der Bahnstrecke im Baustellenbereich gebracht wurde. Darin befanden sich insgesamt 120 Insassen, von denen rund 20 Personen aufgrund der Notbremsung durch Sturz oder herabfallende Gegenstände verletzt wurden, dazu auch Rollstuhlfahrer und ein „Baby“ im Kinderwagen.
Um kurz nach 9 Uhr alarmierten die Integrierten Leitstellen Bamberg und Nürnberg die zuständigen Feuerwehren und den Rettungsdienst. Drei Bergungsgruppen der Ortsverbände Baiersdorf und Forchheim kamen ebenfalls zügig zum Einsatz.
Die Priorität lag für die eintreffenden Führungskräfte in der Koordination der anrückenden Einheiten. Bereitstellungsräume wurden geschaffen, um die Vielzahl an Einsatzfahrzeugen möglichst effektiv zu sammeln, um sie dann gezielt abrufen und einsetzen zu können. Einsatzleiter Rettungsdienst, Einsatzleiter Feuerwehr sowie des Technischen Hilfswerks versuchten das Aufkommen abzufangen und zu koordinieren. Die Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung (UG-ÖEL) des Landkreises Erlangen-Höchstadt errichtete die Einsatzleitung vor Ort, gleich daneben der Rettungsdienst, der unter Anderem mit einem Einsatzleitfahrzeug des Kreisverbands vor Ort war. Dort wurden die Einheiten registriert und eingeteilt.
Zwei Einsatzabschnitte wurden gebildet, da die Unglücksstelle des LKW mehrere hundert Meter vom liegengebliebenen Zug auf den Gleisen entfernt war. Die Schallschutzwände entlang und zwischen den Gleisen machten die Einsatzstelle zusätzlich unübersichtlich und schwer zugänglich. Zunächst war das Eintreffen des Notfallmanagers der DB Netz abzuwarten, der für die Sperrung der Bahnstrecke sowie die Abschaltung und Erdung der Oberleitungen zuständig ist. Erst nach Sicherstellung der Begehbarkeit im Gleisbereich durch die Freischaltung und Erdung können die Einsatzkräfte nämlich zu den Verunfallten vordringen. Zuvor besteht Lebensgefahr im Bereich um spannungsführende Leitungen und Gegenstände. Dies bekamen auch zwei Atemschutzgeräteträger zu spüren, die sich zu nahe an den verunfallten LKW heranwagten. Im Ernstfall hätten sie dabei getötet werden können, am Samstag war für sie die Übung beendet, nachdem sie durch Übungsbeobachter als „schwerverletzt“ eingestuft worden waren.
Zur Erdung der Leitungen durch Bedienstete der Deutschen Bahn, wurde die Übung für kurze Zeit unterbrochen, um den Kräften vor Ort diesen Vorgang zu demonstrieren. Nachdem dies geschehen war, konnten die Positionen wiederbesetzt werden, um dementsprechend die Rettung der Verletzten in Angriff zu nehmen. Es kamen drei „Gerätesätze Bahn“ zum Einsatz. Eine Plattform mit Schienenrollen, die wie ein Waggon auf das Gleis gesetzt wird, um die Beförderung von Gerätschaften, sowie nicht gehfähigen Personen zu ermöglichen.
Beim Erreichen der S-Bahn stand dann plötzlich eine neue Lage in den Vordergrund: Eine Menge von Fußballfans, die aufgrund der Verzögerung im Bahnbetrieb im Zug zu randalieren begannen. Dargestellt wurde der Aufruhr von einer Mannschaft aus 60 Polizeianwärtern der Bundespolizei, die in Anlehnung realistischer Bedingungen gegen die Helfer vorgingen. Ein enormes Aufgebot an Polizeikräften war nötig, um die gewaltbereiten Gruppen zu bändigen und von den Verletzten und Reisegästen fern zu halten. Die Rettung und der Abtransport der Verletzten und weiteren Fahrgäste erfolgte dann in enger Zusammenarbeit zwischen THW, Rettungsdienst und Feuerwehr. Dies war das erste Mal, dass in der Region bei einer Übung auch das leider zunehmend brisant werdende Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ anschaulich thematisiert und die Helfer unvorbereitet damit konfrontiert wurden.
Im Abschnitt des verunfallten LKW wurde dann die Brandbekämpfung und die Rettung der beiden Arbeiter durchgeführt. Diese wurden jedoch als verstorben eingestuft und mussten geborgen werden.
Die unverletzten Passagiere wurden im Pendelverkehr mit den Mannschaftstransportfahrzeugen der Feuerwehr zu einer geeigneten Sammelunterkunft, in diesem Fall dem dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Berufschulzentrum in Forchheim. Rund 250 Einsatzkräfte waren zur Stelle, die sich durch die jeweiligen Einsatzleitungen der Organisationen koordiniert wurden. Dazu wurden in regelmäßigen Abständen Lagebesprechungen mit den Führungskräften durchgeführt, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Die Kreisbrandräte Oliver Flake (FO) und Matthias Rocca (ERH) waren hierzu mit ihrer Führungsriege aus Kreisbrandmeistern und -inspektoren zur Stelle, die sich als Abschnittsleiter gegenseitig ergänzten.
Die Inszenierung der Übung hatte Kreisbrandinspektor und Stellv. Kreisbrandrat (ERH) Stefan Brunner inne, der bei der monatelangen Organisation durch zahlreiche Kräfte aus den Feuerwehren, THW-Ortsverbänden und BRK-Kreisverbänden beider Landkreise sowie die verschiedenen Organisationseinheiten der DB AG unterstützt worden war, die während des Übungsbetriebs auch als Beobachter fungierten. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden nun zusammengeführt, ausgewertet und in die künftige Einsatz- und Ausbildungsplanung für Einsätze an der ICE-Strecke aufgenommen.
Unter den beobachtenden Gästen waren auch die Landräte Dr. Hermann Ulm (FO) und Alexander Tritthart (ERH) vor Ort sowie der Leiter der Polizeiinspektion Erlangen-Land, Armin Dierl, und MdB Stefan Müller als Vorsitzender des BRK-Kreisverbands Erlangen-Höchstadt. Die lokale Presse wurde durch die Pressesprecher der Kreisbrandinspektionen und des THW in das Übungsgeschehen mit einbezogen.
Ein herzlicher Dank gilt den angrenzenden Unternehmen, die ihre Firmengelände, teilweise spontan, als Bereitstellungsflächen für die zahlreichen Einsatzfahrzeuge zur Verfügung stellten, insbesondere der Firma LB Elektro- und Verkehrsanlagenbau GmbH + Co.KG aus Bischofsmais zusätzlich für den „verunfallten“ Kran-LKW auf dem Gelände der ehemaligen Musterhaussiedlung. Ein besonderes Dankeschön richten wir an die Helfer des THW-OV Forchheim, die alle eingesetzten Kräfte und Statisten nach Abschluss der Übung mustergültig verpflegten.
Bericht: Sebastian Weber, Pressesprecher Kreisbrandinspektion Erlangen-Höchstadt